Mittwoch, 4. April 2007

Die Flaschensammler

Es war einmal eine Stadt und die hatte einen Herzfehler.
Ein braunes Virus hatte die Stadt einmal sehr krank gemacht,
weil sie vorher so ungesund gelebt hatte.
Doch manche Städte sind zäh.
Irgendwann hatte sich diese Stadt erholt und das Herz schlug wieder.
Nur der Rhythmus war gestört.
- "Wie kann das sein, daß eine Stadt einen Herzfehler hat?",
werdet Ihr fragen. "Das weiß ich auch nicht;
doch da geht es auch um Politik;
und bei mir geht es um Flaschensammler in dieser Stadt."
Denn durch den Herzfehler gibt es auch die Flaschensammler.
Eine Stadt ist ein großes Lebewesen
und die kleinen Lebewesen darin sind die Menschen.
- Und hier eben auch die Flaschensammler.
- Doch was sind denn nun Flaschensammler?
Das sind Menschen, die mehr wollen 
und brauchen und es nicht bekommen.
Für diese Menschen ist die Stadt eine Insel,
auf der sie ausgesetzt sind.
- Und die Flaschen sind so etwas
wie eine Flaschenpost ohne Inhalt.
Doch ein Stück Freiheit steckt in jeder gesammelten
Flasche - Freiheit zum Anfassen.
Freiheit, die von anderen Menschen weggeworfen
wurde. Ja, so ist es mit den Menschen.
Und die Flaschensammler haben eigenartige Augen.
Und jedesmal, wenn sie eine Flasche finden,
leuchtet die Freiheit in den Augen.
Und dann senken sie schnell den Blick, wenden
sich ab und gehen weiter. - Und die Flaschensammler
sind überall. - Auf den Straßen und besonders auf den
U-Bahnhöfen, weil es da viele Flaschen gibt.
Und wenn die Flaschensammler ihre Flaschen
abgeben, dann haben sie eine Tarnkappe auf.
Und die Verkäufer, die das Pfand auszahlen, merken
automatisch, daß sie nicht hinschauen dürfen.
Ja alle schauen dann weg.
Nur ich hab´ heimlich geblinzelt. - Es kann ja sein,
daß ich auch ´mal Flaschensammler werde, weil
ich auf einer Großstadtinsel lebe und mich nach
Freiheit sehne.

©miro

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